Montag, 23. August 2010

Das Amaldine Auge

Seranja.
Seranja.
Sie schlug die Augen auf. Wieder ein Alptraum? Das Feuer war niedergebrannt und knackte. Ihre Gefährten lagen darum verteilt.
Seranja.
Wieder hallte das Flüstern in ihrem Kopf. Sie rieb sich ihr fleischliches Auge. Seit es ihr gewachsen war, hatte sie sich an den kristallenen Gegenpart gewöhnt. Das Lied auf der linken Seite ließ sich kaum noch schmerzlos länger über dem Kristall schließen, oft brauchte sie heilende Salben und feuchte Tücher um die Schmerzen erträglicher zu machen. Oft öffnete sich das Auge nachts von selbst. Aber selbst das nahm sie immer weniger wahr mit der Zeit. Sie waren zu sehr Eins geworden, verschmolzen. Die anderen berichteten ihr, wenn sie schlafe und ihr Rubinauge öffne sich, sähe es so aus als suche es nach etwas. Und sie, Seranja, gebe nachts oft zusammenhangslose Sätze von sich. Auf verschiedenen Sprachen. Dann hatte sie Alpträume von Szenen aus der Vergangenheit. Oder der Zukunft? Vielleicht waren es auch einfach Einbildungen. Sie wusste es nicht. Anfangs hatte sie es genossen: Die Erkenntnis, die das Auge ihr mitgegeben hatte. Den Rausch der Jagd nach Borbarad. Machtversprechen. Magische Kraft. Seranja die Magiermoguli.
Die Verlockungen des Auges, sein Forscherdrang, das Ziel Borbarad zu vernichten. Alles schrie danach, wie ein unbändiges Tier dem sie unterlag. Nein, zu unterliegen drohte!
Aber Seranja hatte erkannt, sie durfte dem Auge nicht nur nachgeben. Es fürchtete sich genauso wie es angetrieben war Aufgrund seiner Vergangenheit. Es fürchtete vor allem Intrige und Verrat, weshalb es wohl auch zu einem fast paranoiden Einzelgängertum neigte. Obwohl Bündnisse natürlich stellenweise erstrebenswert sein könnten, wollte das Erste Zeichen völliges Vertrauen stets unterbinden.
Auch griff es auch zu zweifelhaften Mitteln zu greifen, um sein Ziel zu erreichen. Darin war es seinem verhassten Feind vermutlich ähnlicher als es zugab. Moralische Schranken duldete der Rubin zwar, sofern sie ihm im Weg stehen, zeigte er jedoch auch keine Skrupel, sie überwinden zu wollen.
Ständig mahnte das Almadine Auge Sie, den Ersten Gezeichneten, durch Einflüsterungen zur Vorsicht, ermahnte sie aber aber auch immer wieder daran erinnern, den Blick nicht vom Ziel abzuwenden. Sie schien ein Werkzeug zu werden, dem schließlich zum einzigen Daseinszweck des Auges zu unterliegen, dem Hass nachzugeben und Borbarad aufzuspüren.
Aber in den einsamen Momenten, jetzt wo die anderen schliefen und das Auge schwieg, da dachte sie zurück. – An die Zeit in Andergast, ihre Kindheit. Die Ausbildung an der Akademie in Andergast. Die Armut, aber auch wie die Stärke in ihr wuchs. Dann ihre ersten Erlebnisse in Reisen und die ersten Eindrücke im Mittelreich. An ihr erstes Kind. Sie schluckte beim Gedanken. Immer fühlte es sich kalt in ihrem Bauch an, wenn sie daran dachte. Würden Sie die Götter nicht dafür schon bestrafen? Ihre erste und schlimmste Sünde? Das unschuldige Kind einer Liebesnacht mit einem Fremden?
Danach die Zeit in Punin, ihre ersten Abenteuer. Hamar an ihrer Seite. War Sie es schuld, dass er nun das schwere Los eines Zeichens tragen musste? Konnte man ihm vertrauen? Wem wenn nicht ihm. Dann war alles so schnell gegangen. Khunchom, die Gor, Fasar, Karan…
Seranja
Karan und immer wieder Karan. Und ihre Familie, die sie nie sah. Karan und alles was sie gemeinsam durchgestanden hatten. Borbarads erscheinen. Maraskan, Fasar, … Und dann der Verrat. Hass. Tote Liebe. - Getötet von Borbarad.
Und mit diesem Schlag das noch stärkere Gefühl niemandem Vertrauen zu dürfen. Sie bemerkte wie sich zornige Tränen in ihren Augen sammelten. Wie hatte er das nur tun können. Wie hatte Borbarad das tun können. Ihr Leben zerstören. Das Auge glomm in ihrer Wut auf, sie bemerkte es. Aber es schwieg.
Seranja.
Schon wieder seine Stimme: Karan? Hatte sie seinen Namen in den Wind geflüstert oder nur gedacht?
Seranja… Hilf mir. Ich lebe! Ich wurde verraten! ER hat mich damals kontrolliert. Ich hätte dich niemals verraten. Bitte befrei mich.. Ich liebe dich!`
Ihre Hand schloß sich um den Griff ihres Stabes. Dieser Bastard! dachte sie und ihr Auge flamm auf. Es wurde Wach. Seranja presste die Zähne aufeinander und fuhr hoch. Ihrer Kehle entfuhr ein lautes Jaulen, fast wie ein Wolf Andergasts. Ein Wolf, der seine Beute jagte.
Seranja…. Die flüsternde Stimme Karans zum siebten Mal und verhallte dann, immer leiser werdend, in ihrem Geist..
Hamar hatte Wache gehabt. Er kam zu ihr und legte die Arme um sie, während die anderen Gefährten am Boden lagen und, erschreckt und von ihrem Schrei geweckt, zu ihr aufblickten.