Sonntag, 25. Juli 2010

Der König ist tot, hoch lebe der König! - (Entwurf)

Avin war der Enkel des Königs und sein einziger legitimer Erbe. Er hatte eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten und würde bald seinem Großvater auf den Thron folgen. Lange hatte das Reich unter der Herrschaft seines Großvaters bestanden und war erblüht. Jetzt ging das Gerücht um, der König, der seinen eigenen Sohn für sein Volk im Krieg hatte opfern müssen, müsse schließlich doch vor die Götter treten. Manch einer hatte den alten König wohl schon für Unsterblich gehalten. Avin hatte seinen Großvater meist nur zu offiziellen Anlässen gesehen, sonst war er immer unter der Aufsicht von Ammen, Ausbildern und Lehrmeistern oder auf der Offiziersakademie gewesen, wohin gegen sein Großvater, der König, seinem Amt hatte walten müssen. Gerüchten zufolge hatte Avins Mutter sich immer dagegen verwehrt, ihn als Kind zu nah an den König kommen zu lassen. Sie hatte ihn fern gehalten vom König, diesen sogar im privaten als Mörder und Scharlatan verschimpft, nachdem ihr Ehemann, der Sohn des Königs und Avins Vater, in einer Schlacht für das Reich 'geopfert' worden war. Avin war es immer erschienen als habe seine Mutter Angst vor ihrem Schwiegervater, seit ihr Mann, der strahlende Paladin, der Kämpfer für das Gute, damals gestorben war. Der König war nicht auf der Beerdigung erschienen. Einem König war es als es nach alter Sitte nicht erlaubt Beerdigungen beizuwohnen. Selbst wenn es der eigene Sohn war, der zu Grabe getragen wurde.

Nun war Avin selbst Volljährig und vor einem Tag aus dem Haus seiner Mutter, welches einige Tagesreisen vom Palast des Königs entfernt lag, geholt worden. Dem König gehe es nicht gut und dieser wolle ihn sprechen, hatte man gesagt. - Selbst seine Mutter hatte sich gegen diesen Ruf nicht erwehren können und Avin mit bangem Blick ziehen lassen. So war der Prinz des Reiches dem ruf des Königs bis vor die goldenen Flügeltüren des Thronsaales gefolgt und wartete darauf, aufgerufen zu werden. Ob der König noch Audienz hielt, ob seiner schweren Krankheit, von der man erzählte?


Auf der Saaltüre zum Thronsaal war das Wappen des Königreiches aufgemalt: Zwei sich aufs genaueste ähnelnde Ritter, der eine in in Gold auf Purpurnem Grund, der andere in Purpur auf goldenem Grund, getrennt durch eine silberne Linie in der Mitte. Der junge Prinz war nervös und hoffte, der um ihn versammelte Hofstaat merkte ihm dies nicht an. Sogar einige Geweihte, die Priester der Götter, warteten scheinbar darauf, ihrem König schnell die letzten Segen geben zu können, falls er bald sterben würde. Avin versuchte ruhig zu wirken, zuckte zum eigenen Ärger jedoch merklich zusammen, als sich die Türe mit einem lauten Klacken geöffnet wurde. Ein ehrürchtiges Gemurmel erhob sich um ihn herum und jeder versuchte einen Blick in den Thronsaal zu werfen. Zur Überraschung aller war der Saal leer bis auf einen Leibdiener und den König selbst, der auf seinem Thron am Ende des Saals saß. Das Gemurmel wurde noch aufgeregter als der König nur Prinz Avin hereinwinkte, sonst aber keinen seiner Fürsten oder Geweihten des Hofstaates.

So ging der Thronfolger in den Raum und bemerkte, wie die Türe hinter ihm wieder von Geisterhand schloß, als ein kühler Lufthauch seinen Nacken streichelte und erst kurz darauf die Türe krachend ins Schloß fiel und das Gemurmel hinter ihm verstummte. Der Prinz verneigte sich, wie es der Etikette nach angebracht war, vor seinem Großvater und Herrscher erfurchtsvoll, bis der König das Wort ergriff.


"Prinz Avin," knurrte die brüchig gewordene Stimme des Königs "es freut mich euch hier bei mir begrüßen zu dürfen. -Endlich! Erhebt euch und kommt näher, damit ich Euer Gesicht sehen kann"
Avin folge dem Befehl und ging auf den Thron zu, während der König sich mühselig erhob. Seit Avin seinen Großvater das letzte mal vor einem Jahr bei einem Turnier gesehen hatte, war dieser merklich gealtert, nahezu zusammengefallen. Es schien als habe der Gott des Todes ihn schon wie eine Leiche zeichnen wollen, bevor er ihn Grab holte. Aus dem einst kräftigen Krieger war innerhalb des letzten Jahres ein uralter Mann mit gebrechlichem Körper, dünnem Bartwuchs und faltigem, schmalen Gesicht geworden. Ein wahres Zerrbild des alten Königs.

Als der junge Prinz vor seinem König zum stehen kam und niederknien wollte, fing der alte Herrscher ihn zittrig auf und deutete ihm auf den Beinen zu bleiben.
"Nicht, Avin.. mein Fleisch und Blut soll nicht mehr vor mir nieder knien. Ich bin ein alter Mann geworden, bald wird dein junger Leib auf diesem Thron sitzen." Er lächelte wehmütig und hustete kurz von einem inneren Krampf geschüttelt in ein Tuch. Der Prinz war der Meinung einen dunkelen Fleck Blut in dem feinen Stoff erkennen zu können. "Bitte, .. hilf mir mein Kind und reiche mit bitte meine Medizin dort".

Neben dem Thron stand eine kleine braune Flasche. Avin reichte sie nervös an den König weiter und reichte ihm seinen Arm, an dem sich der König in für Avin ungewohnter persönlicher Art und Weise einhackte.
"Lass uns ein Stück gehen, soweit meine Füße mich noch tragen. Dort entlang" deutete der König in Richtung der Ahnengalerie an der Wand des Saales. Dort waren seit jeher bis zum aktuellen König alle Bilder vergangener Herrscher aufgereiht. Eine alte Tradition war, ein Gemälde eines Herrschers nach seiner Thronbesteigung in dieser Reihe aufzuhängen und an letzter Stelle einen mannshohen Spiegel, damit der herrschende König immer sein Bild zum Amtsantritt und sein aktuelles Spiegelbild nebeneinander sehen konnte. Es sollte ihn stetig mahnen, dass auch der König altere und das Leben nicht ewig währe und auch gerade König seine Zeit auf der Welt dazu nutzen solle, Gut und Weise zu Herrschen.

Während ihres Weges an den Ahnen des Reiches entlang zum Spiegel fragte der König nach Avins Befinden, ob er Gesund sei und eine gute Ausbildung genossen hätte. Alles konnte Avin nur bejahen, er war fast gerührt endlich eine Zuneigung bei dem Mann zu erfahren, der ihn in der Vergangenheit immer nur recht kühl betrachtet hatte. Schließlich kam der König und sein Nachfolger am Spiegel und blieben umittelbar vor ihm stehn.
Angeblich war dies der reinste und schönste Spiegel im Königreich. Schon seit vielen Jahrhunderten in Familienbesitz, damals als ein Geschenk eines Zauberers aus dem Süden übergeben worden.

"Du kennst sicher die Geschichte des Spiegels?" fragte der König, ihr Bildnis im Spiegel anstarrend.
"Ja, mein König, einst soll ein Zauberer diesen Spiegel unserer Familie geschenkt haben. Er soll uns daran erinnern, dass kein Leben ewig währt und wir darauf achten sollen, eine gute Herrschaft auszuüben"
Der König hatte während Avin redete einen hastigen, tiefen Schluck aus dem Flakon der Medizin genommen. Daraufhin stieg ein beißender Geruch dem jungen Prinzen in die Nase. Er bekämpfte den Drang zu niesen. Ob solch ein Gebräu wirklich bei einer Krankheit half?
Der König hustete wieder kurz in sein Tuch und ließ den Flakon einfach auf den Boden fallen, ohne ihn weiter zu beachten. Daraufhin ballte schmerzerfällt die Hand.
"Das ist richtig, mein Sohn." lobte er Avin. Es ist ein Teil der Wahrheit. "Geh und untersuche den Spiegel von Nahem und sage mir was Du findest."
Avin zögerte und ließ seinen Großvater hinter sich um zu tun wie ihm befohlen. Was sollte schon besonders an dem Spiegel sein, außer seiner Größe und Perfektion?
Als er näherkam, konnte er nur erkennen, dass das Spiegelbild alles ohne jeden Makel zeigte. Da Avin eine Prüfung vermutete, strich er über die Fläche. Der Prinz fühlte sich nicht zu Unrecht von seinem Großvater sehr beobachtet . Oder war noch jemand im Raum? Vielleicht hinter dem Spiegel? Eine Geheimtüre? Vielleicht war dies das Geheimnis?
Seine Hand fuhr zum Rand der Einfassung. Erschreckt fuhr er zusammen, als er sich n der Kante schnitt. Ein Blutstropfen rann rot über die glatte Fläche des Spiegels.Der König lächelte.
"Das ist nicht schlimm. Alles kommt zusammen, ...Du wirst hinter dem Spiegel keine Geheimtür finden."
Kann er meine Gedanken lesen? fragte sich Avin. Der König lächelte versonnen. "Hinter dem Spiegel befindet sich nur Trübnis, eine Seite des Spiegels ist immer stumpf." sinnierte er "Manche glauben Spiegel seien böse - und raubten Seelen, wenn man hinein blicke. Spiegel ließen die Leute eitel werden. Dabei erinnern sie MICH nur daran wie kostbar das Leben ist."
Aus irgendeinem unbestimmbaren Grund ließ die Erzählung Avin erschaudern. Er fühlte sich plötzlich unwohl und wollte zurücktreten, aber der König war hinter ihm herangetreten und Avin zuckte zusammen, als der alte Herr plötzlich viel näher hinter ihm stand, als er vorher vermeint hatte, im Spiegelbild erkennen zu können. Aus dem Hals des Alten drang der Schwefelgestank seiner Medizin direkt ans Gesicht Avins. Er würgte.
"Du erinnerst dich an mich,.. als ich Jung war,.. Prinz." brach aus dem König hervor. Die Medizin schien geholfen haben, wie früher wirkte die Stimme des Königs bedrohlich und herrschaftlich auf Avin. "Jung und schön, mit dem irrigen Gedanken im Kopf man können ewig leben." Der König lächelte süßlich hinter Avins Spiegelbild hervor. Als Avin zur Seite treten wollten fauchte sein Großvater "Bleib stehen! - Ich wollte Dir noch das Geheimnis des Spiegels doch noch zeigen. Dreh wieder dich um.. und Blick in den Spiegel hinein." Avin tat wie gehießen. War es dunkeler im Raum geworden oder bilde ich mir das ein? War der Spiegel dunkeler geworden?

Der König blickte über wiederholt über seine Schulter in sein Gesicht. Nur der Kopf oberhalb der Augen waren zu sehen. Sie starrten durch den Spiegel Avin an als er fortfuhr: "Dieser Spiegel, mein Junge, ist wirklich ein Zauberspiegel." hauchte der alte Mann. Avin bekam eine Gänsehaut, als der König weitererzählte: "Vor langer Zeit kam ein Zauberer und erzählte vor meinem Thron, er kenne eine Möglichkeit wie ein König ewig herrschen könne. Dazu müsse er jedoch bereit sein .. Opfer zu bringen. Opfer, um den Tod zu überlisten."
"Wie soll man den Tod überlisten? Jeder muss sterben.." stammelte Avin. Er bemerkte das hier etwas nicht stimmte, war aber wie gebannt von den Worten seines Großvaters. Dieser antwortete: "Sieh genau hin. Ich habe doch gesagt, eine Seite des Spiegels ist trübe... " Plötzlich knackte der Spiegel an der Stelle wo Avins Blutstropfen herunter geronnen war. Das Blut verschwand in der Bruchstelle des Spiegels! Avin erstarrte und blickte wieder ins Spiegelbild selbst. Jetzt war der Raum hinter ihm wirklich düster! Übele Zauberei! Und nun glommen ihm aus den Augen seines Großvaters rot glühende Funken entgegen. Bevor er reagieren wollte, schubste der Alte Mann ihn gegen den Spiegel und brüllte laut "Trink Blut, Spiegel, auf dass ich ewig weiterlebe!"
Avin versuchte noch die Arme hochzureißen, bevor Scherben ihm die Haut zerfetzen würden, wenn der Spiegel bräche. Was bei den Teufeln der Unterwelt war hier los? Es kam jedoch nicht zum Aufprall auf den Spiegel. Avin stolperte einfach durch den Rahmen hindurch!!! Er stand vielmehr in einer Kammer, die genau so aussah wie die Halle des Königs, nur unwirklicher; fast nebelig. Eine trübe Welt hinter dem Spiegel hatte sein Großvater gesagt! Er blickte erschrocke hinter sich. Dort hing ein pendant zum Spiegel, genau wie das wie im wirklichen Thronsaal. Avin sah dort den König stehen.. und zu dessen Füßen lag er selbst, sein Körper, aber wie tot! Der Alte bückte sich hin. Avin versuchte zurück zu laufen und knallte gegen die Scheibe. Der König lachte auf der anderen Seite über seinen Versuch. "Deine Seele gehört jetzt der Welt hinter den Spiegeln, Enkelchen." säuselte er "Ich habe diesen Pakt schon vor vielen Jahrzehnten geschlossen. Wie gesagt, man muss Opfer bringen um ewig zu leben. Und Du gibst mir das Geschenk deines Körpers. Wirklich gütig von Dir!" Avin spürte alte rauhe Lippen auf den seinen als der König den Mund seines Körpers öffnete und ein geisterhafter roter Nebelschwaden dabei vom Körper des Alten in seinen Körper wanderte. Avin musste würgen, als ihm Bitterkeit den Halls hinauf stieg. Kurz danach fiel der Körper des Königs ohne weitere Regung um. Avin starrte auf die Szenerie und konnte sich nicht regen. Verzweifelt hämmerte er dann auf seine Seite des Spiegels. Tränen stiegen ihm in die Augen. Das konnte nicht sein! Schwarze Zauberei!

Plötzlich zuckte sein Körper auf der anderen Seite. Er sah wie der andere Avin sich unter dem Toten König regte und sich von dessen Last befreite. Der andere Avin stand auf und richtete seine Kleidung ordentlich. Sein Spiegelbild lächelte süßlich. "Ich Danke Dir, mein Enkel. Was meinst DU warum es sich für den König nicht geziehmt auf Beerdigungen zu gehen? Ich habe diese Regel vor Jahrhunderten selbst aufgestellt, weil ich nicht will, das mich der Tod erkennt." Er lachte düster und fuhr fort "Es tut mir leid, dass wir uns nie haben näher kennen lernen können. Ich hatte Angst ich würde es vielleicht nicht ertragen, dich zu opfern. Das ist immer wieder schwer...jedes Mal aufs neue. Der Körper ist jedenfalls diesmal hervorragend, er wird mir gut zunutze sein und lange halten. Denke daran, wenn Du den Spiegel deiner Seite zerstörst bist Du Verdammt in der Spiegelwelt und deine Seele ist verloren! Also pass schön auf, bevor Du ihn eindrückst... Übrigens - falls Dich das tröstet - deine Mutter wird nichts hiervon erfahren. Leb wohl! Dann wischte seine Hand vor der Scheibe her und der Spiegel wurde schlagartig trübe. Nur an einigen Stellen konnte man noch durch die Matte Silberscheibe in die wirkliche Welt sehen. Avins geraubter Körper bückte sich zum Körper seines Großvaters hinab und nahm seinen Kopf fürsorglich in den Arm. Dann rief er: "Hilfe! Der König ist gestürzt" Avin bekam noch mit, die der Hofstaat in den Saal ströhmte. Er rutschte weinend an der glatten Scheibe hinab, als der Hofmeister schließlich ausrief: "Der König ist Tod - hoch lebe der König!"