Freitag, 17. Oktober 2008

Emmerans Weg

Die klirrende Kälte der Nacht hallte in der kalten Luft nach, die ihm sofort, als er das kärgliche Bauernhaus verließ, in der Lunge stach. Emmeran hatte die Nacht in bescheidenen Verhältnissen bei einer Bauernfamilie irgendwo in einem Dorf zwischen Weiden und Greifenfurth verbracht. Er drehte sich zu der Familie um, die in der Tür stand und setzte ein, wie er glaubte, freundliches Lächeln auf. Er wußte nicht wirklich, ob es freundlich wirkte, oft hatte er sich anhören müssen, er würde nie lächeln, obwohl er selbst meinte zu lächeln. Oft betrachteten ihn die Leute deshalb als ernster, als er eigentlich war - und ernster als er sein wollte. Wahrscheinlich war es der Wille der Götter wie es war. Innerlich seufzte er, als er die Gesichter der Bauern sah. Natürlich hatten sie sich redlich bemüht, ihre spärlichen Vorräte, die sie für den Winter angesammelt hatten, zu teilen und ihm so gut wie möglich eine angemessene Unterkunft zu bieten. Trotzdem bemerkte er - wie so oft - den vorsichtigen Blick, wie Kinder die Angst hatten, getadelt zu werden. Warum konnten die Menschen nicht die selbe Freude in den Worten des Gottes der Wahrheit finden, wie er es empfand.
Emmerdan schnallte sich seine Tasche um und blickte zur aufgehenden Praoisscheibe am Horizont.
"Vielen Dank für die Unterkunft für die Nacht. - Praios und auch Travia zum Lob; Mögen die Zwölfe Euch und Eure Kinder segnen."
Er schlug einen Praiossegen, während der Bauer seine sicherlich ehrlich gemeinten Wünsche für Emmerdans weiterreise bekundete. Vielleicht wirke ich einfach zu verkrampft dachte der Priester und nahm wieder seinen Weg Richtung Greifenfurth auf. Nach wenigen Schritten war sein Lächeln, das immer so künstlich wirkte, wieder verschwunden und Emmerdan ging wichtigeren Gedanken nach.

Emmeran ärgerte sich darüber, dass das einfache Volk oft solch einen Kleinglauben an den Tag legte. Die Kirche des Praios stand nicht nur für die irdische Ordnung, sondern verkündete auch eine höhere Wahrheit. Auf Emmerans Reise war ihm viel Aberglaube begegnet. Natürlich hatte er an diesen Orten getan, was er konnte. Trotzdem ließ ihn im Augenblick das Gefühl nicht los, die Leute würden ihm oft nicht genügend zuhören und ihre eigenen Ideen vor die Wahrheit des Götterfürsten stellen. Am meisten erschüttert hatte ihn das Erlebnis vor einigen Tagen: Ein gefallener Hochgeweihter des Götterfürsten selbst war ihm begegnet und er hatte nichts tun können! Bevor sich Emmeran hatte gegen die ketzerischen Äußerungen des Gefallenen hatte wenden können, hatte dieser ihn niedergeschlagen! Hätte nicht eine Gruppe aus Abenteurern geholfen, wäre dieser Frevler wohl noch weitergegangen... Die Abenteurer hatten ihn rausgeworfen und er war spurlos verschwunden. Unheimlicherweise hatte die Magierin Emmeran geheilt bevor er dagegen sprechen konnte. Möge ihm der Götterfürst diese Unachtsamkeit vergeben,...

Die firunkalte Luft ließ Emmerans Atem in Wolken aufsteigen. Er folgte dem Weg. Seine Aufgabe, die der Hohe Hüter, Nicola de Mott, ihm aufgetragen hatte war wichtig, zweifelsohne. Er sollte durch Weiden reisen und Geld für den Wiederaufbau des Ordensklosters sammeln. Das Kloster des Heiligen Arras de Mott, das Kloster des Ordens des Heiligen Hüters, war im Orkenkrieg zerstört worden. An diesem Ort, gelegen im Finsterkamm, war seit Jahrhunderten verbotenes Wissen und ketzerische Schrift zusammengetragen worden. Wissen, das dem Seelenheil entgegenstand. Dieser Ort wurde nun wieder aufgebaut, damit auch in Zukunft solcherlei Schriften gehütet werden konnten, die der zwölfgöttlichen Ordnung und den Lehren des Praios zuwiderliefen.

Nun ja, die Heilung der Magierin hatte ihn wenigstens vor einer krummen Nase bewahrt. Ihm schauderte - Wie kann ich soetwas denken! Dafür muss ich Buße tun. Das Madamal stand, als ob es ihn bei seinen Gedanken noch verhöhnen wollte, noch am Himmel. So leicht konnte man in Abgründe geraten. Hatte nicht gerade die Magie, die Mada zu den Menschen gebracht hatte, so viel Unheil angerichtet! Die Magierkriege, Dämonenbeschwörungen, ... all so etwas war durch Magie entstanden. Er griff an sein Brevier und schickte ein Stoßgebet zu Praios. Solche Gedanken hätte er kurz nach seiner Ausbildung nie gehabt. Obwohl, -- nicht ohne Grund hatte ihn Nicola de Mott ihn ausgeschickt um aus dem "Wesen der Welt seine Lehren zu ziehen und mit gestärktem Glauben daraus Vorzugehen." Hatte er versagt...? -War der Versuch fehlgeschlagen? War er immernoch die "Trübe Funzel", wie ihn sein strenger Lehrer Ucurius immer ärgerlich genannt hatte, wenn er ihm Fragen gestellt hatte, die diesem nicht gepasst hatten, weil sie für Ucurius nach Zweifel klangen? Nein, Zweifler war er sicher nicht, er Hinterfragte nur zu viel. So hatte es Nicola zumindest gesehen und ihn auf die Reise Geschickt. Vielleicht war es auch Hesindegefällig, wie er immer über Dinge nachdachte. Trotzdem war der Pfad zwischen Unglaube und einer ...gewissen Offenheit schmal. Man sollte solche Ansichten am besten für sich behalten und den Lehren der Kirche folgen entschied er sich.

Als die Praiosscheibe gänzlich über den Horizont ragte, erreichte der Mönch schließlich den kleinen Schrein unter den zwei Weiden, von dem die Bauersfrau geredet hatte. Nach einigem Rütteln ging die Tür auf und Emmerdan betrat das Innere des einsam stehenden Götterhauses. Er erkannte, dass der Schrein hauptsächlich Peraine geweiht war und kniete sich für sein Morgengebet vor die Statue der Göttin der Heilung nieder.
Die Wände zeigten Darstellungen der wundersamen Heilung eines Reisenden, der sicher diese Kapelle als Dank erbaut hatte. Emmerdan schloß die Augen zu innerer Einkehr und ....

Als er sich umwandte brannte das Praiosgestirn ungalublich hell. Es füllte fast den Rahmen der Türe aus und sein Licht durchflutete den Raum. Emmeran merkte wie ihm der Mund offen stand. Er blickte mit offenen Augen in das helle Licht. Ich bin das Licht und die Wahrheit, die Ordnung im Chaos der Welt- gingen ihm die Zeilen des Psalms des Lichts durch den Kopf... dann betete er innig zum Götterfürsten, um sich vom Keim des Zweifels reinzuwaschen.

[...]

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